Jazz aus Norwegen

Die Urlaubszeit steht bevor. Wisst Ihr schon, wohin Ihr verreisen werdet? Viele von Euch werden sicher in Mittelmeerländer reisen. Da könnt Ihr dann an den Verkaufsständen für Touristen die T-Shirt- (manchmal auch Gläser- oder Becher-) Aufdrucke sehen: Paradies ist, wenn die Köche Franzosen, die Polizisten Engländer, die Mechaniker Schweizer sind, alles von den Deutschen organisiert ist etc. und die Liebhaber, je nach dem wo man ist, Italiener, Griechen, Spanier, Kroaten… sind. (Selbstverständlich gibt es auch die Höllen-Variante, da sind dann die Engländer Köche, die Schweizer Liebhaber, die Deutschen Polizisten, die Italiener Mechaniker, die Griechen Organisatoren und so fort.)

Wie wär’s denn damit, diesen Sommer mal nach Norden zu reisen, Norwegen zum Beispiel. Da trifft man dann sicher nicht auf Leute, die sich für die besten Liebhaber der Welt halten, aber man wird hervorragende Jazzveranstaltungen mit zufriedenen Musikern besuchen können. In Norwegen hat der Jazz als Bestandteil der gelebten Kultur den wohl höchsten Stellenwert in Europa. Ich habe meinen Posaunen-Kollegen Oystein Blix aus Tromsö immer beneidet, der mich bat, Auftritte für ihn in Kassel zu organisieren und hinzufügte: Gage ist egal, die wird mir durch die norwegische Kulturförderung sowieso aufgestockt!

Die Online-Ausgabe der Zeit berichtete schon 2012: „Was zeichnet das norwegische Beispiel aus? Hier investiert der Staat seit Langem in die musikalische Infrastruktur. Die staatliche Agentur Rikskonsertene organisiert quer durch alle Genres jährlich tausende Konzerte, auf großen Bühnen und auf kleinen, in Gemeindezentren und in Schulklassen. Sie fördert Auslandstourneen und sorgt dafür, dass Norweger von klein auf spielerisch in Berührung mit Musik kommen. Zielgenauer fördert das Norwegische Jazz Forum die Szene der improvisierenden Jazzmusiker. Ein Ableger, The Trust National Jazz Scene, betreibt in Oslo einen eigenen Club, der mit derzeit etwa 150 Veranstaltungen im Jahr die heimische Szene unterstützt. All diese Investitionen haben sich längst ausgezahlt: Seit Anfang der siebziger Jahre gilt die norwegische Jazzszene durch alle stilistischen Wandlungen hindurch als eine der weltweit spannendsten und kann sich auf ein vorbildlich durchmischtes Publikum stützen. Das norwegische Beispiel muss für deutsche Ohren wie eine Botschaft aus dem Paradies klingen. Aus einem Paradies, in dem staatliche Förderung auch für den Jazz eine Selbstverständlichkeit ist.“

Nun ja, vor lauter Schwärmen wollen wir doch sachlich bleiben. Für ein Bier auf einem Festival oder in einem Jazzclub zahlt man schon mal locker (umgerechnet) 10 Euro und Wein kriegt man oft genug gar nicht. Die Temperaturen selbst bei den großen Sommerfestivals beispielsweise in Molde oder Kongsberg sind meistens naja…Es sei denn, man hat Glück wie ich im  Jahre 1997, als es so warm war, dass ich selbst das kleine Festival im sehr nördlichen Bodö bei fast Mitternachtssonne im T-Shirt (ohne Aufdruck… oder doch, mit dem Aufdruck ‚Vossajazz‘ vom Festival in Voss) genießen konnte.

Jazzer-Paradies ist, wenn die Norweger die Veranstaltungen organisieren und fördern, die Schweizer die Höhe der Gagen festlegen, die Italiener und Griechen für das Wetter sorgen, die Deutschen fürs Bier, die Franzosen für den Wein und die Liebhaber wir alle sind, die Jazzliebhaber nämlich. Jazzer-Hölle ist, wenn die Deutschen… aber lassen wir das lieber.