30 Jahre: mik macht die Musik

1990 war für die Kasseler Musikszene ein ereignisreiches Jahr. So wurde neben dem Förderverein Kasseler Jazzmusik auch das Musikzentrum im Kutscherhaus, das „mik“ gegründet. Über die Geschichte des mik sprachen wir mit Berthold Althoff vom Leitungsteam.

Begonnen hatte das Engagement schon Mitte der 1980er Jahre. Damals gab es immer weniger Lehrerstellen, so dass viele Studierende aus dem Fachbereich Musik der damaligen Gesamthochschule Kassel keine Stelle an einer allgemein bildenden Schule bekommen konnten.
Aus dieser Not heraus wurde 1985 der Verein „Kontrapunkt e.V.“ geboren. Studenten und lehrende Professoren waren an der Gründung beteiligt und es gab bald ein Projekt „Musik im Kasseler Osten“ in Kooperation mit der Offenen Schule Waldau und der Joseph-von-Eichendorff-Schule.
Von Bund und Land gefördert und von der Gesamthochschule Kassel in Person von Professor Rösing begleitet, handelte es sich hier um ein kleines, sehr erfolgreiches Musikprojekt.

Da die Förderung 1989 auslief, entschloss sich das Kernteam des Vereins Kontrapunkt, nun ernsthaft nach eigenen Räumlichkeiten zur Weiterführung zu suchen. Zum Team gehörten damals die Musikpädagogen Reinhard Karger, Thomas Phleps (im Jahr 2017 leider verstorben), Hugo Scholz, Kurt Sogel und Berthold Althoff.

„Durch reinen Zufall stießen wir auf das Kutscherhaus in der Herkulesstraße. Ursprünglich ging es bei der Entdeckung dieser Immobilie um die Wohnungssuche eines Teammitglieds im Vorderhaus. Bei der Besichtigung entdeckten wir dann das alte Kutscherhaus im Hinterhof“ , erzählt Berthold Althoff. Das Vorderhaus, um 1900 erbaut, war ursprünglich als Wohnhaus für hohe Offiziere vorgesehen. Im Hinterhaus, dem jetzigen Musikzentrum, standen Kutschen und Pferde, in den oberen Geschossen wohnten die Knechte und Kutscher. Bei der ersten Besichtigung wurde das Haus noch von amerikanischen Studenten bewohnt. Da diese Gruppe im Frühjahr 1990 auszog, stand einer Übernahme durch den Verein Kontrapunkt e. V. nichts mehr im Wege.
Das Konzept dieser neu gegründeten Musikschule „Musikzentrum im Kutscherhaus“ wollte die Schüler nicht nur unterrichten und ihnen Hausaufgaben mit auf den Weg geben, es war und ist immer Ziel und eine Herzensangelegenheit, Ensemblespiel zu fördern. Freie Projekte wurden initiiert, Musiker und Musikerinnen, die sich zusammenfanden, unterstützt. Dieses Ziel ist gelungen:

Das mik hat mittlerweile ein gutes Dutzend verschiedener Ensembles. Kinderchor, Erwachsenenchor, Akkordeon-, Gitarren-, Flöten-, Saxophon- und Jazzensembles bis hin zum großen mik-Blasorchester mit mittlerweile gut 50 Musikerinnen und Musikern, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert. Instrumentalpraxis und Motivationsförderung haben im mik Priorität. Das Angebot umfasst alle Altersgruppen, wobei sicher ein Drittel der Schüler und Schülerinnen erwachsen, also dem Schulalter entwachsen ist. Heute unterrichten 30 Lehrkräfte um die 600 Schüler. Ein Schwerpunkt des Angebots ist die musikalische Früherziehung, die bei Kindern schon im Alter von 6 Monaten mit Bewegung, Rhythmus, Klatschen und Singen anfängt. „Viele Eltern trauen sich nicht mehr zu singen. Vielleicht weil die Musik um sie herum so perfekt geworden ist. Das Singen für und mit den Kindern wird durch unser Angebot in vielen Familien wiederbelebt“, freut sich Berthold Althoff.

Ostern 1990 wurde das Haus vom Kernteam des Trägervereins erworben. Kauf, Umbau und Renovierung (wobei hier vieles in Eigenleistung erledigt wurde) und die Käufe der ersten Instrumente konnten durch einen großzügigen Bankkredit finanziert werden. Die ersten Klaviere stellte das Musikhaus Eichler leihweise zur Verfügung. Nach und nach wurden diese dann abgestottert und sind mittlerweile Eigentum des mik. Mit etwa 30 Schülern wurde losgelegt und ordentlich Werbung betrieben. Das Lehrerkollegium setzte sich aus dem Kernteam und angeworbenen Studienkollegen zusammen, so dass für jedes Instrument eine Lehrkraft zur Verfügung stand. Selbst für solche Exoten wie Oboe und Fagott gibt und gab es Lehrer.

„Da standen wir 1990 da und es musste jetzt alles irgendwie funktionieren. Wir mussten dafür sorgen, dass alle Nebenkosten und die Kreditraten bezahlt werden konnten. Nach drei Jahren waren wir dann so weit, dass wir auch für den Bürodienst ein bisschen bezahlen konnten. Das waren natürlich keine Reichtümer. Eine Zeit lang hat diesen Dienst und die Verwaltung Karl Fintz gemacht, der auch lange im Jazzförderverein im Vorstand aktiv war. Er ist leider völlig überraschend im Jahr 2004 mit Anfang 50 verstorben. Die Gründung des Jazzvereins und die Gründung des mik sind mehr oder weniger zur gleichen Zeit passiert. Es gibt besonders in der Person von Rolf Denecke Überschneidungen, weil er sowohl im Jazzverein akiv war als auch zum ersten Lehrerkollegium des mik gehörte. Und natürlich kannten sich alle untereinander. Schön, was vor 30 Jahren losgegangen ist in der Kasseler Musikkultur, mit welcher Energie wir damals an die Sache herangegangen sind“, berichtet Berthold Althoff, selbst jahrelang aktiv beim Förderverein Kasseler Jazzmusik, u. a. als Kassenwart.

10 Jahre nach Beginn im Kutscherhaus haben die Unterrichtsräume schon nicht mehr ausgereicht, so dass viele Lehrer zuhause unterrichteten. Vor 20 Jahren konnten dann Räume im Bunker in der Friedrich-Engels-Straße angemietet werden. Der Bunker war von der Reichsbahn gebaut, damit die Bediensteten im Krieg bei Bombenalarm sicher untergebracht waren. 2010 sollte das Projekt Bunker von der Reichsbahn endgültig verkauft werden und so hat sich das mik entschlossen, mit etlichen anderen Kulturschaffenden zusammen das Objekt zu erwerben. Das hat dann zum Glück auch geklappt. So steht heute mit den beiden mik-Standorten genügend Unterrichtsraum zur Verfügung.

Eine große Festveranstaltung zum Geburtstag des mik sollte im Rathaus Kassel am Nachmittag des 14. März stattfinden. Das mik-Leitungsteam und einige Helfer hatten sich in die Vorbereitungen gestürzt. Viele kleinere Ensembles und ein XXL-Orchester mit über hundert Musikern im Alter von 8 bis 80 hatten sich intensiv darauf vorbereitet, diese Feier musikalisch zu umrahmen. Ein beeindruckendes Erlebnis war für viele Musiker und Musikerinnen die Generalprobe eine Woche zuvor und alle freuten sich auf das große Ereignis. So war die Enttäuschung über die Absage des Festes groß. Wir hoffen, dass die Festveranstaltung und die ausfallenden Jubiläumskonzerte bald nachgeholt werden können.

(Petra Spengler-Wendt in der Jazzpost April 2020)