Wie alles anfing…

Am 16. März 1990 ist es soweit: 18 Musikerinnen und Musiker gründen den Förderverein Kasseler Jazzmusik. Die Satzung wird einstimmig angenommen und die Mitglieder des Vorstandes werden mit großer Mehrheit gewählt: 1. Vorsitzender Detlef Landeck, stellvertretende Vorsitzende Henner Urff und Thomas Lorenz, Schriftführer Hans Tammen und Kassierer Johannes Viereck. Bei der finanziellen Ausstattung des Vereins herrscht Weitsicht. Die Mitgliedsbeiträge werden auf 3 DM statt 2 DM, wie ein Gegenantrag es vorsah, festgelegt. Außerdem wird beschlossen, „…den privaten finanziellen Aufwand, der bisher für die Vorbereitung der Vereinsgründung angefallen ist (…), nicht durch die neuen Mittel des Vereins zu ersetzen, da somit dessen Mittel gleich ausgeschöpft wären.“ (Aus dem Protokoll der Gründungsversammlung vom 16.3.1990)

Der Vereinsgründung waren viele Sitzungen in der Küche der Musiker-WG von Andreas Henze, Detlef Landeck und Hans Tammen in der Jordanstraße vorausgegangen. Im Unterschied zu dem Ende der Siebzigerjahre gegründeten Jazzförderverein um Harry Wulff und Olaf Gerlach sowie dem Jazzverein um Harald Kühlborn sollten im neuen Verein die Musikerinnen und Musiker das Sagen haben. Wir haben zwei, die damals dabei waren, gebeten, uns von den Anfängen zu berichten.

Detlef Landeck, zehn Jahre lang Vereinsvorsitzender, erinnert sich:

„Als Musiker wollten wir endlich selbst über Kulturfördermittel verfügen und auf landespolitischer Ebene mitreden. Es ging nicht nur ums Geld, wir wollten auch kulturpolitisch Einfluss nehmen. Im Verein sollte aus jeder Band ein Mitglied im Vorstand sein, damit möglichst viele Musiker direkt oder indirekt an Entscheidungen beteiligt werden konnten und der Vorsitz sollte jährlich wechseln. Das basisdemokratische Prinzip! Wir sind aber nicht so weit gegangen wie die Frankfurter; bei denen durfte der Vorsitzende wegen möglicher Vorteilsnahme während seiner Amtszeit nicht spielen! Bei uns klappte der Vorsitzwechsel nicht – ich musste es zehn Jahre lang machen – und auch sonst gab es einige Probleme. Wir hatten zu wenig Mittel und brauchten Leute, die mit anpackten. Das gelang mit den wöchentlichen Konzerten bzw. Sessions in der „Icebar“, später im „New York“. Die Besucher zahlten 5 DM Eintritt, aber davon waren etwa die Hälfte Diskobesucher. Man stelle sich vor, die Leute kommen zu einem Auftritt vom Matthias Schubert und Simon Nabatov und genauso viele Leute stehen an der Bar und unterhalten sich. Dabei wurde auch viel getrunken. Das ging nicht immer gut, hatte aber für uns auch Vorteile. Es kamen immer genug Leute und Henner Urff, der viele Geschäftsleute und Unternehmer kannte, nutzte die Gelegenheit, diesen Gästen zu fortgeschrittener Stunde Mitgliedsanträge zum Unterschreiben vorzulegen. Wir hatten bald sehr viele Fördermitglieder. Das half. Wir holten Jazzer aus der Frankfurter oder der Berliner Szene, waren stets auf der Suche nach neuen Spielstätten, haben Leute überredet mitzumachen und zahlten anständige Gagen. Heute spielen Musiker oft unter ihrem Wert. Das hätten wir damals boykottiert. Insgesamt ist die Kasseler Jazzszene gut aufgestellt, die Sessions sind sehr gut besucht. Vom Verein wünsche ich mir mehr Aktivitäten auf Landesebene. Außer beim Landesjugendjazzorchester und dem Hessischen Jazzpreis sind wir landesweit nicht präsent. Aber ich freue mich sehr, dass unsere Arbeit über so viele Jahre weiter fortgeführt wurde und ich bin überzeugt, dass der FKJ weiterhin ein unverzichtbarer Bestandteil der Kasseler Jazzszene sein wird.“

Hans Tammen gratuliert aus New York:

„Soso, 30 Jahre wird der „Förderverein Kasseler Jazzmusik“ also (warum ich auf diesem Namen bestehe, lest Ihr weiter unten). Das ist ein beachtliches Alter, wenn man so sieht, wieviele andere Initiativen hochkommen und doch irgendwann wieder vergehen. So einen Erfolg hatte ich nicht vorausgesehen. Meine Hoffnung lag bei vielleicht bei 50 Mitgliedern, und ich war wirklich überrascht, dass wir schon nach wenigen Jahren bei etwa 200 lagen.

Das hat aber auch etwas damit zu tun, dass sich die Orientierung des Vereins geändert hatte. Ich selbst wollte eigentlich nur eine Organisation von Musikerinnen und Musikern, die durch Preisabsprachen akzeptable Gagen durchsetzt. So viele aktive Musikerinnen und Musiker gab es aber damals gar nicht, und ein solcher Verein wäre kaum über 50 Mitglieder hinausgekommen. Es kamen dann auch Mitglieder dazu, die hauptsächlich Konzerte organisieren wollten, was in den ersten Jahren hier und da zu ein paar Rangeleien führte. Nach ein paar Jahren habe ich eine Metaplan-Sitzung mit Mitgliedern gemacht, in der wir über die Zukunft des Vereins entscheiden wollten. Die große Mehrheit entschied sich dann auch für das Veranstalten. Ich glaube kaum, dass der Verein noch existieren würde, hätte er sich nur um die Interessen der Musikerinnen und Musiker gekümmert.

Den absonderlichen Namen habt Ihr mir zu verdanken. Ich musste schon wieder lachen, da ich zum Vereinsjubiläum nach einem Text für den „Jazzverein“, und nicht für den „Förderverein Kasseler Jazzmusik“ gefragt wurde. Aber mit den damals bereits existierenden Jazzvereinen war dieser Name schon besetzt, und so mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen. Zuerst dachte ich an „Verein Kasseler Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker“, weil wir uns damit schon im Namen klar von den anderen Vereinen absetzen konnten. Das war aber einfach viel zu lang, und es wurde dann doch nur die „Musik“ daraus. Ich weiß, „Förderverein Kasseler Jazzmusik“ geht nicht so richtig über die Zunge, aber Ihr habt ja immerhin die URL jazzvereinkassel.de.

Lachen musste ich auch wegen einer Satzungsänderung. Ich hatte in der ursprünglichen Satzung damals ein unüblich hohes Quorum für die Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung vorgesehen, damit der Vorstand gezwungen war, die Mitglieder in seine Arbeit einzubeziehen. Ich kannte halt zu viele Vereine, die praktisch nur aus dem Vorstand bestanden. Damit der Vorstand aber dadurch nicht handlungsunfähig wurde, ließ ich eine Hintertür offen, indem nicht anwesende Mitglieder ihr Stimmrecht auf andere übertragen konnten. Die Rechnung ging zunächst auch auf; der Vorstand war gezwungen, eine hohe Zahl von Mitgliedern zu mobilisieren. Das funktionierte manchmal nur, wenn eine große Zahl schriftlicher Einverständniserklärungen besorgt werden konnte. In keinem Fall wäre es aber möglich gewesen, eine Entscheidung an den Mitgliedern vorbei zu organisieren. Ich wollte halt eine Organisation mit einer aktiven Basis.

Nun ja, ein Zweidrittel-Quorum (oder wie hoch es auch immer war) geht vielleicht bei 30 Mitgliedern, aber nicht bei 200. Irgendwann hat der Vorstand mich sicherlich zur Hölle gewünscht und ich war auch nicht überrascht, dass dieses Quorum in der Satzung nicht mehr zu finden ist. 😉

Ich hoffe mal, dass alles so weitergeht. Kassel liegt ja auf etwa 1000 Fuß Höhe, das wird ja nicht so schnell absaufen. Und Jazz hören’se immer. Ich freue mich schon darauf, in 30 Jahren wieder zum Jubiläum gratulieren zu können!“

Wir danken Detlef und Hans für ihre Beiträge. Inzwischen ist die Zahl unserer Mitglieder auf 258 angewachsen; seit 2017 sind 34 neue Mitglieder dazu gekommen. Wir möchten allen Mitgliedern im Jubiläumsjahr die Gelegenheit geben, auf Vereinsaktivitäten zurückzublicken oder Anregungen für die zukünftige Arbeit des Vereins zu geben. Erinnert sich jemand an besondere Konzerte oder Begegnungen in der Icebar, im New York oder anderswo? Was wünscht Ihr Euch für die zukünftige Arbeit unseres Vereins? Schreibt uns an jazzpost@jazzvereinkassel.de!

(Inge Simon in der Jazzpost März 2020)