„Die Stille ist der schrillste Ton“ – Thelonious Monk

Jatzek hat mich daran erinnert, dass ich noch ein Versprechen einlösen muss. In der Mai-Jazzpost hatte ich die Würdigung des außergewöhnlichen Jazzpianisten und Komponisten Thelonious Monk für die Oktoberausgabe angekündigt, da sein 100ster Geburtstag auf den 10.10. fiel. Über Dizzy Gillespie, der, wie auch ­Ella und einige andere in diesem für JazzmusikerInnen so außerordentlich ertragreichen Jahr 1917 geboren wurde, hatte ich sie dann vergessen. Hier kommt sie jetzt.

Über Thelonious Monk (geboren am 10. Oktober 1917 in Rocky Mount, North Carolina; gestorben am 17. Februar 1982 in Englewood, New Jersey) sind viele skurrile Geschichten, die das Klischee von Genie und Wahnsinn bedienen, im Umlauf. Sie prägen bis heute sein Bild.
„Etwa von jenen Abenden, an denen er stundenlang in der Eiseskälte vor einem Club herumstand und das Haus gegenüber anstarrte, obwohl drinnen längst sein Konzert hätte beginnen sollen. Oder als er bat, Ratten von der Bühne zu verscheuchen, die außer ihm niemand sah. In den seltenen Begegnungen verlangte er Journalisten psychoanalytische Fähigkeiten ab. Während Interviews saß er einfach nur da mit qualmender Zigarette und leeren Augen. Minutenlang. Das bedrückende Vakuum nach behutsam formulierten Fragen durchbrachen höchstens gekrächzte Silben oder kryptische Satzbrocken wie etwa ‚Die Stille ist der schrillste Ton‘. (…) Immer wieder kam es vor, dass er beim Spiel seiner Nebenleute urplötzlich aufstand und ums Piano tanzte; selbstvergessen und tapsig wie ein russischer Zirkusbär. Manchmal krabbelte er unter dem Klavier herum, scheinbar auf der Suche nach irgendetwas, und baute das Pedalbrett ab. (…) ‚Mad Monk‘, wie sie ihn damals nannten, konnte sich tagelang in ein einziges Stück vertiefen, unerreichbar. Er führte Selbstgespräche, blieb 72 Stunden wach, um danach in einen 48-stündigen komaähnlichen Schlaf zu verfallen.“ (Reinhard Köchl, Monks Schatz, ZEIT ONLINE vom 07.04.17).

Heute würden ihm Psychiater eine bipolare Störung bescheinigen (früher manische Depression), das würde aber seinem Genie nur sehr partiell gerecht. Er war eben ein Phänomen am Piano, seltsam, kauzig, ­verschroben und unberechenbar zwar, aber absolut genial, ebenso seine Kompositionen. Selbst 35 Jahre nach seinem Tod weiß die Nachwelt immer noch viel zu wenig über ihn. Dazu gehört auch, dass die Kritiker ihn lange als vermeintlich unbeholfenen Pianisten belächelten. Sein Publikum ließ sich allerdings schon sehr früh begeistern. „Monk wurde Kult, lange bevor die Beilagen der Sonntagszeitungen seine ausgefallenen Klamotten, Brillen und Hüte anpriesen. Sein Handwerkszeug war traditionell – Klavier, Bleistift, Papier, sein Handwerk makellos: jeder Ton sitzt an seinem Platz, scharf angeschlagen kommen diese Töne hervor.“ (Karl Lippegaus anlässlich Monks 100. Geburtstag im Deutschlandfunk, 10.10.17)

Für aufstrebende Genies wie Sonny Rollins und John Coltrane wurde Thelonious Monk ein Guru, ein Meister, bei dem sie ihre Lektionen bekamen.
Sonny Rollins: „Wie Coltrane einmal gesagt hat: wer bei Monk einen Akkordwechsel verpasst, dem ergeht‘s, als würde er in einen leeren Aufzugschacht steigen. Die ganze Band traf sich in Monks kleinem Apartment. Da wurde geprobt, wissen Sie, und Monk schien seiner Zeit weit voraus. Alle schauten sich an und sagten: Monk, das können wir nicht spielen, das geht nicht auf einer Trompete. Gegen Ende der Probe aber spielten sie es dann alle!“
Sein Schlagzeuger Ben Riley erinnert sich: „Er war ein sehr sensibler Mensch. Ich glaube, er gab einem all diese verschiedenen Eindrücke von sich selbst, weil er eigentlich nicht wollte, dass man ihm zu nahe kam.“